Radeburg ist zu Beginn der dynamischen Phase der industriellen Revolution noch landwirtschaftlich geprägt.
Das Wirtschaftsleben der Stadt wurde durch die Bauerngemeinde (Großenhainer- und Dresdner Straße) und die Bürgergemeinde (um den Markt) bestimmt. Ansätze einer Industrialisierung waren erst zum Ende des Zeitraums der industriellen Revolution zu erkennen.
Dennoch lassen sich an der Entwicklungsgeschichte der Stadt Radeburg einzelne Phasen der industriellen Revolution nachvollziehen: Mit einem für den ländlichen Raum typischen Bevölkerungswachstum, Abschaffung der Patrimonialgerichtsbarkeit, Verwaltungsreformen, Ablösung der Feudallasten, Umstrukturierung des Gewerbes, Gründung von Industrien.
Plan Radeburg von 1845: Croquis von Radeburg vor 1845, Entwurfszeichnung eines Vermessers (Rechte: Sächsisches Staatsarchiv)
Plan Radeburg um 1867: Katasterplan von Radeburg ca. 1867 mit Einzeichnung des ersten Industriebetriebes in Radeburg: Maschinenfabrik Behrisch in der Würschnitzer Straße 1 (Rechte: Sächsisches Staatsarchiv)
Verfassung von Radeburg
1289 Oppidum, 1496 Stadt, seit 1791 accisbare Stadt
Verwaltungszugehörigkeit
1547 Amt Großenhain, 1764 Amt Moritzburg, 1816 Amt Großenhain, 1856 Amt Moritzburg (Amtshauptmannschaft Dresden), 1875 Gerichtsamt Radeburg.
VerwaltungAn der Spitze des Stadtrates stand bis 1862 ein nebenamtlicher, seit 1862 ein hauptamtlicher Bürgermeister mit einer eigenen Stadtverwaltung. Das Personal der Verwaltung umfaßte 1907 elf Personen inklusive des Bürgermeisters.
GerichtsbarkeitBis 1851 Ausübung der Gerichtsbarkeit durch den Besitzer des Rittergutes. Abtretung der Gerichtsbarkeit an den sächsischen Staat. Ab 1853 Königliches Gerichtsamt Radeburg. Nach Aufhebung sämtlicher Patrimonialgerichte umfaßte der Gerichtsbezirk der Stadt Radeburg 25 Landgemeinden. 1873 kamen nach Aufhebung des Gerichtsamtes Moritzburg sechs weitere Ortschaften dazu.
Ortsadel, Herrengüter
Seit 1551 schriftsässiges** Rittergut*** nachgewiesen. Die Herrschaft übte die Erb- (niedere) und die Obergerichtsbarkeit (Strafjustiz) aus. Seit 1831 im Rahmen von Reformen schrittweise Aufgabe von Privilegien.
Nach den verfügbaren statistischen Daten ist der Zeitraum 1834 bis 1858 bei generell wachsender Bevölkerung durch hohen Geburtenüberschuss und durch umfangreiche Wegzüge und eine junge Bevölkerung gekennzeichnet. Im Zeitraum von 1834 bis 1858 erhöhte sich die Zahl der Wohngebäude von 247 auf 279 insgesamt also um mehr als 10 Prozent.
*Sächsisches Staatsarchiv: Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministerium des Innern
Radeburg hatte einen bedeutenden Vieh- und Getreidemarkt. Die Bedeutung des Getreidemarktes wird z.B. dadurch unterstrichen, dass die sächsischen Behörden im Krisenjahr 1816 Getreidepreise in Radeburg abfragten, um die Ernte zu beurteilen. Seit 1832 Wegfall aller Feudalverpflichtungen*, wobei sich die Bauern von Feudallasten loskaufen mussten**. Dabei kam es in der Großenhainer Pflege, wie auch anderswo in Sachsen, aber im Unterschied zu Preußen zu keiner Verschiebung des Grundbesitzes***. Das notwendige Kapital wurde u.a. durch die neue gegründete Landrentenbank mit Sitz in Dresden bereitgestellt, die 1834 ihre Tätigkeit aufnahm****. Im Gegensatz dazu mussten die Bauern in Preußen die Feudallasten durch Landabtretung ablösen.
Info:
*„Die Frohndienste der Bauern sind in … Rücksicht auf die Art, wie sie geleistet werden, entweder Spanndienste, welche man auch Ziehdienste oder Pferdefrohnen nennt, und in ackern, pflügen, eggen, den Dünger auf die Felder fahren, Heu und Getreide einfahren u.s.w. bestehen, oder Handdienste, je nachdem die Frohnen entweder mit oder ohne Zugvieh geleistet werden.“
L.A. Kermes, Ausführliche schematische Darstellung der Rechte und vorzüglichen Gerechtigkeiten, auch sonstigen Rechts- und Lehnsverhältnisse der Ritter- und adlichen Güter im Königreiche Sachsen und dem Markgrafthume Oberlausitz Königl. Sächs. Antheils nach den deshalb bis zum Jahre 1828 ergangenen gesetzlichen Anordnungen zum Gebrauch sowohl für die Besitzer solcher Güter als auch für Rechtsgelehrte, Leipzig 1829, Verlag Wilhelm Nauck, S. 95
**Hauptstaatsarchiv Dresden: 10494 Grundherrschaft Radeburg, 01.04.04. Grundherrlich-bäuerliche Verhältnisse, Dienste und Abgaben der Untertanen, Ablösungen:
(1) Ablöserezess zwischen Gerichtsherrschaft Radeburg und Friedrich August Franz, Besitzer der Brettmühle, 30.09.1845
(2) Ablösung von Frondiensten und Steuereintreibungsbefugnissen zwischen der Gerichtsherrschaft Radeburg und den dortigen Grundstücksbesitzern Johanna Rosine Böhmig und anderen, 1846
(3) Ablösung der von Eva Rosina Grünberg und anderen Grundstücksbesitzern in Radeburg bei der dortigen Gerichtsherrschaft zu entrichtenden Naturalzinsen, 1844
(4) Ablösung der von Johann Gottfried Thieme und anderen Grundstücksbesitzern in Radeburg bei dortiger Gerichtsherrschaft zu leistenden Handdienste, 1843
***Dietrich Hanspach und Haik Thomas Porada: Die Großenhainer Pflege, 2008, S. 54
****Kiesewetter: Die Industrialisierung Sachsens, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2007, S. 112 ff
Das Handwerk in Radeburg war in Innungen organisiert. Über die Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts blieb es etwa zahlenmäßig gleich stark. Allerdings strukturierte es sich nicht unerheblich um. So gingen die Berufe der Posamentierer, Töpfer, Seiler, Gerber und Färber zurück. Neue Berufe zogen ein, insbesondere entwickelte sich eine starke Händler- und Kaufmannschaft.
Handwerk 1821:
Ca. 200 Handwerksmeister: Besonders groß war die Zunft der Schuhmacher, dann der Seiler, Posamentierer, Gerber, Färber usw.
Handwerk 1907:
25 Schuhmacher / 18 Gast- und Schankwirte / 16 Kaufleute / 15 Manufaktur- und Wollwarenhandlungen / 12 Tischler / 10 Bäcker / 8 Fleischer / 7 Schneider + 7 Schneiderinnen / 7 Seiler / 7 Lohnfuhrwerksbesitzer / 6 Sattler / 6 Böttcher / 5 Schmiede / 5 Stellmacher / 4 Baumeister / 4 Klempner / 4 Kürschner / 3 Gerber /
4 Maler und Lackierer / 4 Zementfabrikanten / 4 Kunst- und Handelsgärtner / 3 Schlosser / 3 Uhrmacher / 3 Dachdecker / 3 Barbiere / 2 Ärzte / 2 Brandweinbrenner / 2 Mühlenbesitzer / 2 Getreidehändler / 1 Apotheker / 1 Spiegelrahmenfabrik / 1 Mineralwasserfabrik
*Aus der Festschrift zum Heimatfest in Radeburg am 13., 14. und 15. Juli 1907 von Pastor J. Kramer
Die industrielle Revolution war in Deutschland mit der Reichsgründung 1871 praktisch abgeschlossen. In Radeburg setzte die Industrialisierung zum Ende dieses Zeitraumes, also relativ spät und in beschränktem Umfang, ein.
Neben der schon bestehenden Bienert-Mühle (ehemalige Brettmühle) werden folgende Fabriken gegründet: 1864 Maschinenfabrik Behrisch / 1868 Ziegelei Klinger, später Schamottefabrik Mitscherling / 1873 Glasfabrik Behlke, Hiller, Andrä, später Glasfabrik Kunkel & Co.
Von besonderer Bedeutung für alle Radeburger Industriebetriebe waren der Bau der Kleinbahn von Radebeul nach Radeburg und damit der Anschluss an das sächsische Eisenbahnnetz. Die ersten Projektierungsarbeiten im Jahr 1873 veranlassten z.B. die Eigentümer des Glaswerks bereits 1873 einen Gleisanschluss in ihr Werk zu planen. Tatsächlich mussten sie bis 1884 warten.
Zur Finanzierung von Industrie und Gewerbe schreibt Pastor J. Kramer in der Festschrift zum Heimatfest in Radeburg am 13., 14. und 15. Juli 1907: „Als segensreiches Kreditinstitut für den Handwerkerstand besteht der gut fundierte und geleitete Vorschuss- und Kreditverein zu Radeburg.“
Anschrift und Kontakt
Würschnitzer Straße 1
01471 Radeburg
Ansprechpartner: Herr Hans-Theodor Dingler
Telefon: +49 2226 17518
Mail: info@dienstleistungszentrum-radeburg.de
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